Er war nicht nur mein Lehrer, er war auch als Mensch ein echtes Vorbild....R.I.P. Andy
Neue Züricher Zeitung 27.11.2019
Die Form folgt dem
Gefühl
Zum Tod des Schweizer
Jazzsaxofonisten
Andy Scherrer
Andy Scherrer war einer der bedeutendsten Saxofonisten des europäischen Jazz.
Die Emotion trug ihn durch die Musik, sein durchdringender Sound war gesättigt mit Gefühl. Wenn sich Andy Scherrer auf der Bühne aufstellte,
aufrecht und beherrscht, den Kopf leicht genickt und das Saxofon zur Seite geneigt, sprach aus der magistralen Statur die reine Konzentration. Nichts sollte den expressiven Fluss hemmen, der sich
bald in sanguinischen Momenten, bald in melancholischer Einkehr manifestierte.
Doch Andy Scherrers Musikalität erschöpfte sich nicht im impulsiven Ausdruck. Vielmehr
schaffte er es, scheinbare Gegensätze zu überwinden und das Lyrische mit musikalischer Logik, die Ekstase durch Weitsicht zu formen. So konnte man an seiner inspirierten Improvisation die
unverwüstliche Vitalität ebenso rühmen wie seine eindrückliche Reife.
Amerikanische Vorbilder
1946 geboren im toggenburgischen Brunnadern, wuchs Andy
Scherrer in Glarus auf, bevor er Basel zu seiner Wahlheimat machte. Mit fünfzehn Jahren brachte er sich autodidaktisch das Saxofonspiel bei; 12 Jahre später erst nahm er klassischen Saxofonunterricht
bei Ivan Roth in Basel, um sich schliesslich für die Swiss Jazz School in Bern anzumelden.
Seine bedeutendsten Lehrer aber waren die stilbildenden amerikanischen Saxofonisten der
fünfziger und sechziger Jahre – namentlich Joe Henderson, John Coltrane und Wayne Shorter. Man kann nicht sagen, Andy Scherrer habe sich auf die Schultern dieser Idole gestellt, um über ihren
Horizont hinauszublicken. Vielmehr hat er ihre Errungenschaften – etwa die harmonischen Erweiterungen, die modale Improvisation, das Spiel in «Sheets» – verinnerlicht, um daraus die eigene Phantasie
zu speisen.
Andy Scherrer zählte seit den siebziger Jahren zu den bedeutendsten Jazzmusikern der Schweiz
und Europas. Er stand mit internationalen Stars wie Mel Lewis, Cedar Walton, Abdullah Ibrahim und Bill Carrothers auf der Bühne. Und er profilierte sich in Bands wie den Hot Mallets des Basler
Bassisten Isla Eckinger, im Sextett Magog des Zürcher Pianisten Klaus Koenig, in George Gruntz’ Concert Jazz Band oder in Mathias Rüeggs Vienna Jazz Orchestra.

Dass er erst im Alter von 53 Jahren ein Album unter seinem Namen herausbrachte, spricht wohl
für Andy Scherrers Zurückhaltung. Und wenn er in seiner Musik eigentlich stets amerikanische Traditionen pflegte und weder einen eminent europäischen noch schweizerischen Tonfall suchte, so war er
doch geprägt von helvetischer Bescheidenheit. Diese mochte zwar den internationalen Erfolg etwas hemmen. Dafür verhalf sie dem grossen Tenor- und Sopransaxofonisten, der auch als Pianist überzeugte,
zu einer künstlerischen Prägnanz, die alles Prahlerische, Effekthascherische hinter sich liess.
Der einflussreiche Pädagoge
Die Bedeutung Andy Scherrers für den Schweizer Jazz ist nicht
hoch genug einzuschätzen. Dabei wirkte er nicht nur als wegweisender Instrumentalist, sondern auch als Lehrer. Von 1975 bis 2011 war er an der Swiss Jazz School in
Bern tätig, die er einst selber besucht hatte. Generationen von Schweizer Jazzsaxofonisten gingen zu ihm in den Unterricht.
Später hat sich Andy Scherrer verdient gemacht um die jüngere Szene, indem er sich für
zahlreiche Projekte engagieren liess. In Erinnerung bleibt zum Beispiel das Quartett seines Schülers Donat Fisch, das ihn vor Jahren zu Höhenflügen animierte. So konnte er begeistern, wo immer er
sich als Sideman in Stellung brachte. Aber was heisst schon Sideman im Falle des Schweizer Saxofon-«Colossus», der mit seinem beherzten Sound stets den musikalischen Mittelpunkt markierte? – Am
Montag ist er im Alter von 73 Jahren nach längerer Krankheit gestorben.
Und schon wieder ist einer meiner Lehrmeister gegangen:
Mein Klarinettenprofessor
an der Musikhochschule Mannheim
Ludwigshafen. Als Leiter des Jugendblasorchesters Ludwigshafen wirkte er ebenso jahrzehntelang wie als Dozent der
Mannheimer Musikhochschule. Hans Pfeifer (Bild) ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Der Maudacher hatte 1969 das Jugendblasorchester des Heuss-Gymnasiums gegründet, aus dem das städtische
Jugendblasorchester hervorging. Der frühere Soloklarinettist der Staatsphilharmonie war ab 1980 an der Hochschule tätig und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz und Maximilianstaler der Stadt geehrt.
Er wird am Freitag, 13. Dezember, 12 Uhr, auf dem Maudacher Friedhof beerdigt.(Bild: Blüthner) Der Wikipedia Link zu Hans
Pfeifer